Dental-Journalist

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„Präzises Fachwissen, aufbereitet für die Praxis“
Dr. med. dent. Jan Hermann Koch, oralmedizinischer Journalist und Berater

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Print lesen sichert kognitive Fähigkeiten

Wir schreiben das Jahr 2024: Junge Leute lesen immer mehr gedruckte Bücher. Ebenfalls 2024: Gut Achtzig Prozent aller niedergelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzte bevorzugen Print-Fachzeitschriften – und halten sie für glaubwürdiger als Online-Inhalte [1]. Was bedeutet das für Informationsqualität im Zeitalter von „snackable Content“ und KI?

Oralmedizinische Fachbücher verkaufen sich hervorragend. Das gilt zumindest für die aufwendig lektorierten und produzierten Druckwerke des Quintessenz-Verlags. Wie vor einhundert Jahren lieben wir es, in ansprechend gestalteten Printprodukten zu schmökern, zum Beispiel in der Praxispause oder zuhause auf der Coach. Obwohl Bücher wegen ihres meist langen Umsetzungszeitraums hinter dem aktuellen Wissen zurück bleiben, erwarten wir darin zuverlässige und wertvolle Informationen. Auch gedruckte Zeitungen oder Zeitschriften sind ein Luxus, auf den viele nicht verzichten wollen. Und das hat Gründe.

Unsere Vorliebe für Print basiert nicht nur auf Bequemlichkeit oder Gewohnheit: Die „besondere Qualität der Buchlektüre“ fördert unsere Wahrnehmung und die Qualität der Informationsverarbeitung [2]. Die Kognitionswissenschaftlerin Maryanne Wolf erklärt, wie das funktioniert: Lesen prägt unsere Art zu denken – und damit auch, wie wir Informationen bewerten [3]. Digitales Lesen reduziert dagegen laut Wolf unsere „kognitive Geduld“ und die Fähigkeit, Vorurteile zu prüfen und andere Perspektiven einzunehmen [4].

Think, don’t snack

Snacken macht bekanntlich dick. Gemeint sind häufige, oft kalorisch bedenkliche Zwischenmahlzeiten. In Bezug auf Lesen macht Snacken möglicherweise auch dumm: So ist das Lesen von Bildschirmtexten „stärker fragmentiert, weniger konzentriert“ und die Inhalte werden „flacher verarbeitet“ [5]. Weiter: „Der Bildschirm ist dem Papier unterlegen, wenn es um das Verständnis umfangreicher Texte geht“ [2]. Das gilt sicher umso mehr für superschnelle, „snackige“ Social-Media-Formate.

Wie sollte oralmedizinische Fachinformation also am besten aufbereitet und präsentiert werden? Wenn es um Substanz und gründliche Inhalte geht – und das sollte bei der Patientenversorgung unbedingt zutreffen – sind sorgfältig editierte gedruckte Texte das Maß der Dinge. Nur mit diesen kann ein solider und fundierter Wissensstand erreicht und aufrecht erhalten werden. Oralmedizinische Fachinformationen erfordern in der Regel sehr hochwertiges Bildmaterial. Dieses lässt sich in vielen Fällen nur mit farbkalibriertem Druck nach dem Stand der Technik erzielen.

Substanz im Netz

Aber: Online-Informationen und Social Media haben ebenso ihre spezifischen Vorteile und damit ihre Berechtigung. Für schnelle Orientierung, zum Beispiel Nachrichten, Anbieter-Informationen und Informationsaustausch (Chats) zu „hotten“ Themen sind digitale Medien unverzichtbar. Spezielle Inhalte, zum Beispiel Leitlinien oder mit umfangreichem Zusatzmaterial, lassen sich online ebenfalls am besten präsentieren und archivieren. Zum vertieften Lesen können ausgewählte Inhalte ausgedruckt – oder alternativ im PDF mit Markierungen und Kommentaren versehen werden. Netzgestützte Kongresse und Fortbildungen, aber auch instruktive (Online-)Videos sind ebenfalls ein großer Fortschritt und ergänzen Gedrucktes und Real-Life-Formate in idealer Weise.

Mehr zu Fachbeiträgen und Informationsbeschaffung finden Sie hier:

Unabhängige Information – trotz Kostendruck

Relevantes Wissen ist frei von fachlich verzerrendem Einfluss, zum Beispiel vonseiten der Industrie. Diese darf und sollte an Forschung und Fachinformation beteiligt sein, aber mit klarer Darlegung von Interessenkonflikten. Fachmedien sollten es sich leisten können, entsprechende Inhalte zu publizieren – trotz stetig steigender Druckkosten und konstanter Abhängigkeit von Werbekunden. Heilberufler müssen ihrerseits bereit sein, für hochwertige und unabhängige Information zu zahlen – in Sinne ihrer Patienten und einer wissensbasierten Medizin.

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Künstliche Intelligenz als Game Changer?

Medizin-KI ist ein großes Thema, bisher vor allem in der Bilddiagnostik. Werden rechnergestützte Algorithmen demnächst auch Fachtexte schreiben, autonom und immer auf dem neuesten Stand von Medizin und Kognitionswissenschaften? Sind die Zeiten vorbei, in denen haptisch-praktisch orientierte Ärztinnen und Ärzte sich mit Literaturrecherchen und dem Verfassen langer Texte quälen mussten? Ganz sicher wird text-gestützte KI uns im Sine eines Werkzeugs viel Arbeit abnehmen und maßgeblich bei der Publikation – und Rezeption – von Informationen unterstützen. Die Verantwortung für medizinische wie stilistische Feinheiten wird aber in den Händen von Fachleuten bleiben.

Fachinformation zum Genießen – Fazit

Gute Fachinformation funktioniert heute in komplexem Zusammenwirken von Print und Online, aber nicht zuletzt auch mündlicher Kommunikation. Im Zentrum stehen Menschen, mit ihrem ganzen kulturgeschichtlichen, kognitiven und emotionalen Hintergrund. Qualität und Präsentation sollten stimmen und beides erfordert Ruhe und Sorgalt, nicht nur den schnellen Informations-Snack. Den Nutzen haben Patientinnen und Patienten – behandelt von gut informiertem klinischem Personal.

Dr. med.dent. Jan H. Koch

Der Autor erklärt, dass er zum Zeitpunkt der Publikation dieses Texts keinen Interessenkonflikt hat (insbesondere keine Geschäftsbeziehung zum Quintessence Publishing).

Zur Vertiefung

  1. Martus S. Wir sind, wie wir lesen. Süddeutsche Zeitung. 2019, Ausgabe Nr. 172, Seite 18.
  2. Wolf M. Schnelles Lesen, langsames Lesen. Warum wir das Bücherlesen nicht verlernen dürfen. Penguin, München 2019.
  3. lesefoerdern.de. Die Stavanger-Erklärung, wichtigste Aussagen (abgerufen 20240521).
  4. lesen.bayern.de. Stavanger-Erklärung: Zur Zukunft des Lesens (abgerufen 2240521).

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